Studierbarkeit

Sind Studiengänge für die vielfältigen Anforderungen und Bedürfnisse einer diversen Studierendenschaft studierbar? Diese Frage steht immer wieder im Mittelpunkt von Evaluationen und wird in Akkreditierungen wie selbstverständlich mit Ergebnisindikatoren wie der Studiendauer oder der Schwundqote geprüft. Obwohl an Hochschulen der Begriff Studierbarkeit ganz selbstverständlich genutzt wird, unterscheiden sich die vorliegenden Definitionen stark. Eine empirisch geprüfte Definition, die auch prüft ob die Ergebnisse wie Studiendauer, Zufriedenheit oder Studienabbruch wirklich mit Studierbarkeit zusammenhängen, liegen überraschenderweise nicht vor. In meiner Dissertation widme ich mich dieser Forschungslücke und entwickle ein Modell struktureller Studierbarkeit. Die Ergebnisse zeigen: die Studienstruktur hängt mit der Studierbarkeit zusammen und ist somit ein wichtiger Einflussfaktor für Hochschulen.

Das Modell struktureller Studierbarkeit

Studierbarkeit ist ein äußerst breiter Begriff, unter dem relevante Autorinnen und Autoren (z.B. Multrus (2013), Bathke et al. (2005) und Rindermann (1998)) von der Hochschule steuerbare Faktoren (z.B. Struktur, Beratung, Lehre, Ausstattung) und individuelle Faktoren (z.B. Voraussetzungen, Lebenssituation) verstehen. Im Jahr 2011 haben Burck und Grendel (S. 101) vorgeschlagen, Studierbarkeit auf seine strukturelle Komponente einzugrenzen. Dabei stehen insbesondere die von der Hochschule gestaltbaren Strukturen im Mittelpunkt. Die Struktur eines Studiums wird üblicherweise in Ordnungen, Studienplänen oder Stunden- und Prüfungsplänen der Hochschulen festgehalten und steuert das Studierverhalten von Studierenden. Die Definition von Burck und Grendel (2011) lässt allerdings offen, welche Aspekte des „institutionellen Arrangements“ die strukturelle Studierbarkeit ausmachen. Darüber hinaus stellt eine heterogene Studierendenschaft vielfältige Anforderungen an Studienstrukturen.

Die Kondensierung der Literatur bringt aus meiner Sicht fünf Aspekte struktureller Studierbarkeit hervor:

  1. Ort und Zeitpunkt der Lehrveranstaltungen (E-Learning, Wahlmöglichkeiten, zeitliche Lage der Veranstaltung)
  2. Umfang der Präsenzlehre (SWS) und Verteilung des Arbeitsaufwands über die Semester (Workload und Prüfungen)
  3. Möglichkeit von Studienunterbrechungen und Studiendauer (z. B. Fristen, Beurlaubungen)
  4. Flexibilität im Studienformat (z. B. Teilzeitstudium, berufsbegleitendes Studium, Fernstudium, Zertifikatsstudium)
  5. Beratung und Betreuung, welche die Situation der Studierenden berücksichtigt und gleichzeitig ihre Orientierung unterstützt.

Die genannten Aspekte struktureller Studierbarkeit können aufgrund der jeweils unterschiedlichen Studierendenschaft und der Ziele der Studiengänge und Hochschule nicht standardisiert werden. Beispielsweise bedarf es je nach Studienfach, Hochschule und Hochschultyp sowie Zusammensetzung der Studierendenschaft einer angepassten Festlegung, welcher Anteil an E-Learning oder Wahlmöglichkeiten sinnvoll ist. Die meisten Aspekte der strukturellen Studierbarkeit werden dabei auf Studiengangsebene in Prüfungs- oder Studienordnungen und Modulhandbüchern festgelegt. Die Hochschulebene ist jedoch auch betroffen, wenn es etwa um hochschulweit gleiche Beurlaubungsregelungen oder hochschulweite Beratungsangebote geht. Die Lehrveranstaltungsebene kommt ins Spiel, wenn Lehrende Ort und Zeit von Lehrveranstaltungen festlegen oder den Arbeitsaufwand und den Umfang der Prüfungen beeinflussen.

Das Modell

Modell struktureller Studierbarkeit

Die Ergebnisse

Das Modell prüfe ich mit zwei Datenquellen: einerseits eine Umfrage an zwei Fachhochschulen (N=1.252) und andererseits eine Dokumentenanalyse von Studiengangsdaten in Form von Modulhandbüchern, Prüfungsordnungen und Stundenplänen. Methodisch kommen lineare und logistische Mehrebenenregressionen zum Einsatz. Die Ergebnisse zeigen, dass die angenommenen Zusammenhänge des Modells sich mit kleinen Ausnahmen bestätigen. Die Studienstruktur spielt damit eine wichtige Rolle, wenn Hochschulen ihre Studierbarkeit erhöhen möchten. Gleichzeitig hängt die Anwesenheit in Lehrveranstaltungen und die Selbstlernzeit (also das Studierverhalten) mit den Ergebnisindikatoren wie Zufriedenheit, Abbruchneigung und Geschwindigkeit des Studiums zusammen. Da das Studierverhalten allerdings nur einen Teil dieser Ergebnisse erklären kann, sollten die Indikatoren in Evaluationen und Akkreditierungen nur als erster Hinweis für eine hohe oder geringe Studierbarkeit genutzt werden.